Was nährt

Nicht den Anschluss verpassen, immer up-to-date sein. Das gilt für den Beruf, die Mode, den neusten Trend im App-Himmel. Und allzeit online und geliked bei Social Media.

Und das alles bitte auch auf Neu-Englisch: Der Geschäftsführer heißt heute CEO und der Hausmeister ist auch zum Facility Manager aufgestiegen. Unsere Zeit dreht sich schnell. Es muss immer alles besser und neuer werden und das flott bitte! Und neu klingen muss es natürlich auch, damit es sich auch trendy anhört - „Social Distancing“ ist der Hipster der Saison! Irgendwann wird wahrscheinlich auch die Warteschlange vor dem Klopapierregal eine Trendsportart - könnte man ja „Queuing“ nennen.

So, liebe Nicht-Englisch-Sprecher, jetzt geht’s aber wirklich auf deutsch weiter...
Der aktuelle Hit kommt allerdings nicht aus Wirtschaft und Gesellschaft, sondern wird uns von einem kleinen Virus vorgegeben: Entschleunigung! Nachdem wir selbst nicht imstande waren, die Stoptaste unseres Hamsterrades zu bestätigen, tut das jetzt eine Krankheit für uns. Das bedeutet äußerlich zunächst: Runterfahren der Produktion und des öffentlichen Lebens. Plötzlich haben wir ganz andere Aufgaben und Sorgen: Eltern müssen die Kinderbetreuung irgendwie regeln, viele Selbständige haben von heute auf morgen keinerlei Einnahmen mehr. Und als Familie so lange und dicht zu Hause sein zu müssen, kann irgendwann auch nerven.

Und noch etwas anderes passiert gerade: Eine Frage an uns selbst hat endlich wieder einmal Raum und Platz: Was ist uns wirklich wichtig? Wir werden plötzlich aufmerksam auf das, was wir wirklich brauchen. Es war auch vorher da, ist uns aber nicht so aufgefallen. Es war verdeckt von zu vielen Sahnehäubchen unserer Konsum- und Spaßgesellschaft, die sich wie eine geschlossene Schicht über alles andere gelegt hatte.

So ist uns verborgen geblieben, was als Tiefenschicht unser Leben in Wahrheit trägt. Wir haben uns an der fetten Sahne gemästet und das nahrhafte Schwarzbrot verschmäht. Was ist die richtige Nahrung für unser Leben? Was brauchen wir als Gesellschaft? Was wollen wir als Familie? Was will ich für mein Leben eigentlich? „Bleibt fest in der Liebe zueinander“ - das sagt der Predigttext im Hebräerbrief.

In diesem Sinne täten uns Einkehr und Umkehr gut. Das beginnt bei uns selbst: Müssen und sollen wir so weiter machen wie bisher? Wie gelingt unser Leben wirklich? Ich begleite gerade Schüler, die sich in ihrer Seminarfacharbeit mit der Frage nach dem Glück beschäftigen. Ein uralte Frage. Mit unserer modernen Konsumgesellschaft haben wir uns eher davon entfernt als angenähert. Noch ist Fastenzeit - das ist die Zeit der Einkehr und Selbstbesinnung. Vielleicht kein Zufall, dass wir dieses Jahr eine ganz besondere Zeit der Besinnung haben.