In die Knie gehen

Heute predigt Christoph von Entzensberg. Denn sein Epitaph (vergleichbar einer Grabplatte) ist wieder da! Es spricht zu uns. Schöner und frischer denn je ist es.

Er ist wieder da – und kniet wieder vor dem Kreuz. Seine Haltung ist ein Bekenntnis. Ich höre folgendes:

Alle, die nach mir an diesem Ort leben, sollen mit mir auf Jesus Christus blicken. Alle, die sich von Ferne aufgemacht haben und diese Kirche besuchen, mögen meinem Blick für einen Moment folgen.

Ich knie.
Es gibt nur einen, vor dem ich auf die Knie gehe:
Mein Herr und Heiland Jesus Christus.
Er hat für mich gelitten.
Er ist nicht geflohen vor dem, was ihm widerfuhr.
Er war tapfer.
Er hat anderen geholfen, selbst noch am Kreuz.
Er hat den Tod auf sich genommen voller Vertrauen, dass da jemand ist, der sein Leben in Händen hält.

Ich knie in ritterlicher Rüstung. Das war mein Beruf. Ein Beruf mit Gefahren und Verantwortung. Immer hat mich der Blick auf das Kreuz geerdet: Er erinnert mich daran, dass meine Macht begrenzt ist. Dass ich nicht Gott spielen darf. Dass nur Ihm Ehre gebührt. Der Blick auf das Kreuz begrenzt mich. Er schützt mich vor Größenwahn und Allmachtsphantasien und macht mich demütig.

Denn alles, was ich hab, hab ich von einem andern.
Und alles, was ich bin, bin ich durch einen andern.

Alles, was ich ernte, kommt von Gott. Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land –
doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand.

Ich lese die goldenen Worte über der Figur des Ritters:

„An(no) Dom(ini) 1585 den 11. Mai (oder März?) uff den abend nach 4 Uhren ist der gestrenge Edle und ehrbare Christoph von Entzensbergk weiland Schwarzburgischer Oberhauptmann welcher bis zum 74. Jahr der löblichen Graffschaft Schwartzburg Rath und Diener gewesen, sanft entschlafen, dem Gott der Allmächtige eine fröhliche Auferstehung verleihen wolle. Amen


Eine fröhliche Auferstehung - Was für ein schöner, leichter Gruß! Habe ich so noch nie gehört, auf keiner Traueranzeige gelesen. Gott verleihe dir eine fröhliche Auferstehung.

Der Gruß richtet den Blick auf den Himmel. Und der ist auf dem Epitaph blau eingefärbt. Außer den bunten Wappen links und rechts ist nur der Himmel koloriert. Vom Blau des Himmels ist schon das Haupt des Ritters umfangen – und der Körper des Christus. Der Helm des Ritters liegt auf dem Boden, den braucht er nicht mehr. Im Himmel wird nicht mehr gekämpft: "Mit Christus ruft er Viktoria, schwingt fröhlich hier und da sein Fähnlein als ein Held, der Feld und Mut behält."

Szenenwechsel: Eine große Menge – sie hatten nichts zu essen (Markus 8, 1-9).
Jesus sagt zu den Jüngern: „Mich jammert das Volk. Wenn ich sie hungrig heimgehen ließe, würden sie auf dem Weg verschmachten. Einige sind von fern gekommen“.

Woher nehmen wir Brot hier in der Einöde?

Wie viele Brote habt ihr?

Er nahm die sieben Brote.
Dankte, brach sie, gab sie.
Auch einige Fische.
Sie aßen und wurden satt.

„Woher nehmen wir Brot hier in der Einöde?“ fragen die Jünger. Die Unverständigen. Die Bedenkenträger. Die, die keine Lösung haben. Die, die nicht wissen, wie es weitergeht - mit der Gesellschaft, mit der Kirche, mit der Energie.

Jesus nimmt, was da ist: Sieben Brote und ein paar Fische. Er klagt nicht, er diskutiert nicht, er jammert nicht. Er dankt, er bricht das wenige Brot und teilt es aus. Und das Wunder geschieht, dass viertausend Menschen satt werden – viertausend Menschen, die um Jesus versammelt sind, Juden und Nicht-Juden, Gläubige und Ungläubige. Jesus gibt allen. Er fragt nicht nach ihrer Religionszugehörigkeit. Alle wollen essen.

Ein bisschen so ist es auch in Dornheim. Ganz gemischte Akteure arbeiten hier zusammen, um diese Kirche an diesem schönen Ort zu erhalten und weiterzuentwickeln: Kirchengemeinde und Freundeskreis, Bürger aus Dornheim und viele Bach-Fans aus der ganzen Welt. Gemeinsam wurde Erstaunliches erreicht.

Das alles gehört auf den Erntedanktisch.

Christoph von Entzensberg schaut auf Christus. Er erinnert uns daran, dass alles, was wir haben, von Gott kommt. Gott schenkt uns die Kraft, uns füreinander und für unseren Ort einzusetzen. Weil es schön ist, Schönes zu erhalten. Die Kinder und Enkel und Nachfahren und die Besucher aus aller Welt erleben einen schönen Ort – einen Ort, der satt macht an Leib und Seele. Hier kann man leben und feiern. Hier kann man Musik und Kultur genießen und Geschichte atmen.

Jesus wurde ja gar nicht aufgefordert, Essen zu besorgen. Niemand hatte ihn darum gebeten. Er tut es von sich aus. „Mich jammert es“, sagt er. Er möchte nicht, dass die Menschen, die einen weiten Nachhauseweg haben, unterwegs zusammenbrechen.

Wir haben einen Herrn, dem nicht egal ist, wie es uns geht. Das sage ich mit Blick auf den Winter, der kommt. Wir könnten mit den Jüngern jammern: Wo sollen wir in diese Einöde Energie herbekommen? Bezahlbaren Strom – und Gas? Wer soll das alles bezahlen? Wir können die Betriebe dicht machen, die Kirchen auch dicht machen. Und was wird aus diesem Ort?...

Ja, wir könnten unsere Sorgen groß machen und uns von unseren Bedenken erdrücken lassen.
Oder – wie Jesus fragen: Was haben wir? Und daraus etwas machen.

„Wir haben die Hilfe vor der Tür“, so dichtete Paul Gerhard.

Das singen wir jetzt den Schwarzmalern und Bedenkenträgern, die schon unken, dass alles den Bach runter geht, mit unserer Gesellschaft und auch mit der Kirche. Wir schauen lieber mit dem Ritter auf den, der helfen kann. Und dem nicht egal ist, was aus uns und unserem schönen Ort wird.

Damit wir diesen Blick nicht verlieren, darum brauchen wir einander, die Kirche, den Freundeskreis, alle, die diesen Ort lieben. Mein letztes Wort sei heute: Danke.

Elke Rosenthal, Superintendentin des Kirchenkreises Arnstadt-Ilmenau