Frieden

Häufig erkenne ich den Wert einer Sache erst dann, wenn ich sie nicht mehr habe.

Durch den Rückblick wird das, was verloren ist, plötzlich sehr kostbar. Die verlorene Freundschaft, die vergangene Jugend, die Schulzeit, wenn plötzlich das Abschlusszeugnis in der Hand ist. Melancholie und Wehmut stellen sich ein.

Frieden ist auch eine dieser Sachen. Sehr schnell ist der Friede, der mich umgibt, für mich zu einer Selbstverständlichkeit geworden. In einer Welt zu leben, die in der Europäischen Union keine Grenzen kennt, in der Europäer selbstverständlich keine Kriege führen, in einer Welt zu leben, in der eine Armee, in der der Dienst an der Waffe erklärungsbedürftig ist, das hat sich gut angefühlt.

Dass die eigenen Kinder die innerdeutsche Grenze mehr als ein Märchen als eine Realität betrachen, das hat mich sehr in Sicherheit gewogen. Wenn die Alten, die den Krieg noch erlebt haben, erzählen, wenn sie warnen, wurden sie oft nicht beachtet. Diese Warnung hat in meinem Leben wieder an Bedeutung gewonnen.

Frieden ist leider keine Selbstverständlichkeit. Ich habe den Eindruck, das wir als Gesellschaft Frieden auch nicht mehr als selbstverständlich wahrnehmen.

Frieden ist aber sehr viel mehr als Abwesenheit von Krieg. Frieden ist mehr als die Beruhigung vor der Angst vor dem Krieg. Frieden ist mehr, als keine Waffen zu besitzen.

„Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ Joh 14,27

Jesus spricht in einer seiner Abschiedsreden vom Frieden. Er spricht vom Frieden „Schalom“ der inhaltlich gefüllt ist. Frieden ist mehr als ein Gefäß ohne Krieg. Mehr als ein Phantomschmerz des Vergangenen.

Frieden ist in mir. Frieden ist mein Leben. Frieden ist mein eigener Umgang mit den Menschen in meiner Nähe. Frieden ist mein Reden über die Menschen, die Hilfe brauchen, die geflohen sind. Frieden ist meine Gewissheit, dass ich in Gott, in der Liebe geborgen bin – egal, was in der Welt passiert.

Frieden schenkt mir Gott, wenn ich weiß, dass Abschiede in Christus, keine Abschiede sind. Frieden ist es, keine Angst zu haben.

Ich wünsche Euch und Ihnen eine Sommer voll Frieden. Möge er in Ihnen sein und in der Welt ankommen.

Sebastian Pötzschke, Pfarrer in Gräfenroda-Geschwenda