Den Mittelweg finden

 „Tue nichts Gutes, so widerfährt dir nicht Böses.“ – Unter diesem Motto haben viele Menschen schon resigniert und verbittert aufgegeben.

Sie hatten Gutes im Sinn, sind aber an engstirniger Gesetzesauslegung gescheitert. Mitmenschen haben falsche Motive gewittert oder in ihrem Stolz angebotene Hilfe abgelehnt. Es tut weh, wenn uns das Gute aus den Händen geschlagen wird und auf die eigenen Füße fällt.

Wir erleben das im Familienkreis, in der Dorfgemeinschaft, in der Gesellschaft und auch im kirchlichen Umfeld. Ist dann enttäuschter Rückzug der richtige Weg? Oder verbissenes Kämpfen? Vielleicht muss manchmal in die eine oder andere Richtung ein Stück weit gegangen werden. Wer dabei die Grenzen nicht erkennt, läuft in Gefahr, an seiner Seele Schaden zu nehmen wie ein Sportler, der sich überschätzt.

Ich staune über die Weisheit, die mir die Bibel anbietet. Wer in Prediger 7, 15-20 hineinschaut, wird in seiner Erfahrung bestätigt: mancher Gerechte hat ein kurzes Leben und mancher Böse ein langes. So wird es auch bleiben. Uns wird geraten, weder auf der Seite der Gerechtigkeit noch der Abgestumpftheit vom Pferd zu fallen.

Ein Satz gefällt mir besonders: „Derjenige, der Gott ernst nimmt, findet den richtigen Mittelweg.“ Wie? Wir vertrauen nicht auf unser gerechtes Denken und Handeln, sondern auf Gottes barmherzige Liebe. So bringt es der Wochenspruch zum Ausdruck. In dieser Haltung fällt auch das Loslassen leichter.

Mein Fazit: Ich will weiterhin versuchen, für Gerechtigkeit einzutreten und Gutes zu tun. Wohl wissend, dass ich die Welt nicht retten kann. Ich werde auch auf Ablehnung stoßen und Fehler machen, aber dabei immer wieder in Gottes liebende und annehmende Hände fallen. Seine Hände segnen für neuen Aufbruch und decken neue Fehler und Enttäuschungen zu. In solcher Geborgenheit leben zu dürfen, tut mir gut.

Pfarrer Thomas Walther, Griesheim