Außer-sich-Sein und Besonnenheit
Können Sie sich noch an den Dienstag, 06.05.25 erinnern?
Was für ein Ereignis; noch nie in der Geschichte da gewesen! Nein, ich meine nicht die unruhige Wahl des neuen Bundeskanzlers erst im zweiten Wahlgang. Und ich meine auch nicht die ein oder andere neue Zollidee des amerikanischen Präsidenten.
Ich denke vielmehr an das historische Fußball-Championsleague-Halbfinale zwischen Inter Mailand und dem FC Barcelona, das an diesem Dienstag sein Rückspiel erlebte. Insgesamt ging es nach Verlängerung am Ende 7:6 für Inter Mailand aus. 13 Tore in einem Championleague-Halbfinale, das gab es noch nie! An diesem Abend wurde Fußballgeschichte geschrieben. Nach dem Abpfiff sanken die einen zu Boden und konnten ihre Tränen der Trauer nicht zurückhalten. Die anderen – mit Tränen der Freude in den Augen – tanzten und jubelten durch das Stadion.
Unbändiges, beinahe hysterisches Glück auf der einen und nahezu verzweifelte Trauer auf der anderen Seite. Blendet man nun einmal den sportlichen Kontext aus, bleiben Hysterie und Verzweiflung – gut ablesbar in den Gesichtern der Menschen.
Hysterie und Verzweiflung: zwei Ausprägungen des „Außer-sich-Seins“; zwei Ausprägungen, die sich in unserer Gegenwart vermehrt in den unterschiedlichsten Zusammenhängen bei Menschen zeigen: in Talk-Shows, auf Demonstrationen, an Männerstammtischen, in Frauenrunden und ja, öffentlichkeitswirksam in der Politik – weltweit und über alle Lebensentwurf- und Glaubensunterschiede hinaus.
Dabei beschreibt der Apostel Paulus in seinem zweiten Brief an die Korinther ganz eindeutig, wann gerade wir als Christenmenschen „außer uns“ sein sollen und wann besonnen: Wenn wir außer uns sind, so ist es für Gott; für die Menschen aber sind wir besonnen.
Außer sich sein für Gott, für Jesus, also: ganz und gar, ohne Einschränkung, mit ganzem Herzen auf Ihn ausgerichtet, voller Energie und ohne Zurückhaltung und innere Grenzen!
Besonnen sein für die Menschen, also: wahrnehmen, wertschätzen, auch mal sich zurückhalten und zurücknehmen, Arme öffnen statt verschränken! Wie wär’s, wenn wir das mal – so ganz entgegen dem Trend – versuchen zu leben?
Jan Foit, Pfarrer in Angelhausen-Oberndorf.