Auf(er)stehen

„Manchmal stehen wir auf
stehen wir zur Auferstehung auf
mitten am Tage
mit unserem lebendigen Haar
mit unserer atmenden Haut
… in ein Haus aus Licht.“

So beschrieb es Marie-Luise Kaschnitz in einem ihrer Gedichte, das den Titel „Auferstehung“ trägt. Diese Erfahrung einer Auferstehung „mitten am Tage“, mitten im Leben, mitten in einem niederdrückenden Alltag etwa, oder auch nach einer längeren Krankheit, ist ein tief greifendes, beglückendes Ereignis für jeden Menschen, der das so erlebt.

Die Bibel berichtet uns von zahlreichen Menschen, denen solch eine „Auferstehung mitten am Tage“ widerfahren ist, veranlasst durch eine Begegnung mit Jesus. Ob sie blind, taub, stumm oder gelähmt waren oder an einer psychischen Krankheit litten – durch diesen einzigartigen Mann aus Nazareth erfuhren diese Menschen Befreiung von ihren Leiden, konnten wieder „klar sehen“ oder „aufrecht gehen“.

Ich denke, auch viele von uns heute kennen diesen Wunsch nach „Befreiung“ von mancherlei Leiden, von innerem Druck oder äußerer Krankheit; viele sehnen sich nach einer Heilung in jeglicher Hinsicht. Oft fehlt uns aber so ein Mensch, der uns sagt: „Steh auf (nimm deine Matte) und geh!“, wie es Jesus etwa zu einem Gelähmten gesagt hat (vgl. Markusevangelium 2,11).
Oft fehlt uns jemand, der uns zuspricht: „Steh auf, du sollst wieder klar sehen, du sollst wieder aufrecht gehen, du sollst heil und geheilt sein!“

Und doch: Es gibt sie auch heute noch – Begegnungen mit diesem Jesus und dieser Kraft, die aus dem Glauben, aus dem Vertrauen auf Gott kommt. Und diese Begegnungen bringen auch heute noch Heilung und Befreiung, ermöglichen eine „Auferstehung mitten am Tage“.
Gerade erst haben wir Ostern, das Fest der Auferstehung gefeiert. Vielleicht gelingt es uns ja in diesen Frühlingstagen, dieser österlichen Zeit, uns wieder neu auf die Kraftquelle unseres Lebens zu besinnen und solche „Auferstehungserfahrungen“ zu erleben.

In diesem Sinne möchte ich dann freilich auch die andere Seite von Auferstehung, die wir mit dem Osterfest jedes Jahr feiern, verstehen – die Auferstehung aus dem Tod, in eine andersartige Wirklichkeit, in das Sein bei Gott hinein. Auch diese Auferstehung haben die ersten Christen auf wundersame Weise bei Jesus erfahren und bezeugt.

So wünsche ich uns in diesen Tagen ein froh machendes Vertrauen und die Zuversicht auf diese beiden Auferstehungen des Menschen, die uns zu echtem Leben befreien: die Auferstehung mitten im Leben und die aus dem Tod.

Matthias Schubert, Pfarrer im Kirchenkreis Arnstadt-Ilmenau