27.02.2013
Widersprüche der Reformation

Als „Menschen ihrer Zeit“ möchte Hans-Joachim Köhler den Reformator Martin Luther und seine Anhänger verstanden wissen:„Aus heutiger Sicht ist Luthers Verdammung Andersdenkender und -glaubender zu verurteilen. In der damaligen Zeit war sie gang und gäbe.“

Auf der Elgersburg (bei Ilmenau), hielt der „Oberpfarrer im Unruhestand“ kürzlich einen Vortrag zum Thema „Widersprüche der Reformation in den Intoleranzen ihrer Zeit“. Zu denen gehöre nicht nur Luthers tödliche Verurteilung der Täuferbewegung, sondern auch seine Haltung gegenüber Juden und „Hexen“ – mit mörderischen Folgen für die Betroffenen.

Und dabei standen, so Köhler, die geistlich-geistigen Vorzeichen der Reformation für Luther zunächst denkbar günstig: Bei seinem Eintritt ins Erfurter Augustinerkloster traf er auf einen Kreis von Humanisten, die wie er „ad fontes“, d.h. zurück zu den Quellen des Glaubens wollten. Es waren namhafte Denker wie Justus Jonas, Philipp Melanchton und Johannes Lang, die die Bibel im griechischen und hebräischen Urtext lasen und so die Widersprüche zur verfassten Kirche des Mittelalters entdeckten.

Und auch für Luther entfalteten diese Texte und der Disput über sie eine solche Sprengkraft, dass er schließlich seine berühmten „95 Thesen“ veröffentlichte. Die fanden bei der Bauernschaft ebensolchen Anklang wie seine Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, verdeutlichte Köhler: „Die Bauern griffen Luthers Thesen sehr irdisch in ihren ‚Zwölf Artikeln‘ auf, forderten dort aber auch zum Beispiel eine freie Pfarrerwahl durch die Gemeinde.“

Diese Forderung setzte die Täuferbewegung wenig später in die Tat um und wurde dafür von Luther und seinen Anhängern ebenso verdammt wie für die Erwachsenentaufe, die sie mit Vehemenz vertrat. Viele ihrer Anhänger mussten ihr Bekenntnis mit dem Leben bezahlen. In Reinhardsbrunn errichtete die EKM aus diesem Grunde kürzlich eine Gedenkstele; an den geistigen Vorarbeiten dazu war auch Hans-Joachim Köhler beteiligt.

Auf die bewegende Geschichte der Täufer in Thüringen war er bei seinen Recherchen anlässlich der 900-Jahr-Feier der Kirche St. Blasii, Zella(-Mehlis) im Jahre 2009 gestoßen und stellte seine Erkenntnisse anschließend ins Internet.
Bestätigt und ergänzt werden seine Beobachtungen durch die EKD-Broschüre „Schatten der Reformation: Der lange Weg zur Toleranz“, die ebenfalls online erhältlich ist.

Rainer Borsdorf

www.kirche-im-aufbruch.ekd.de
www.pilgernetz.de