28.09.2015
Ein Dach überm Kopf

Kürzlich fand in Arnstadt auf Einladung der Kirchengemeinde ein Gesprächsabend zum Thema „Flucht und Asyl“ statt. Im Podium hatte Ursula Günther, Beauftragte des Ilm-Kreises für Gleichstellung, Ausländer und Behinderte ebenso Platz genommen wie Petra Renger und Daniela Dreuth, beides Engagierte beim Arnstädter Welcome-Büro. Moderiert wurde der Abend durch Sup. Angelika Greim-Harland.

Nach einem geistlichen Impuls wurden die Zuhörer per Fragebogen mit einem Gedankenspiel konfrontiert: Unter der Überschrift „Bleiben oder gehen?“ sollten die Teilnehmer überlegen, bei welchen Ereignissen (Krieg, Hungersnot, Fleisch-Verbot, aber auch totaler Internet-Verlust oder Schulverbot für Mädchen) sie ihr Heimatland verlassen würden. Schnell wurde deutlich, dass einerseits die Hemmschwelle, die eigene Heimat zu verlassen, recht hoch ist. Andererseits wurden sich die Zuhörer auch bewusst, dass Ereignisse wie Krieg oder eine große Hungersnot sie sehr wohl dazu bewegen würden, alles aufzugeben und woanders einen Neuanfang zu wagen.

Im weiteren Verlauf des Abends machte Ursula Günther deutlich, dass für den Ilm-Kreis derzeit die Unterbringung der Flüchtlinge das brennendste Problem sei. „Bei rund 800 Flüchtlingen derzeit und noch weiter steigenden Zahlen haben wir in unserem Landkreis gerade eine echte Krisensituation“, meinte sie. Zwar gäbe es zwei Gemeinschaftsunterkünfte, diese reichten aber bei weitem nicht aus. Man plane daher auf der Website des Ilm-Kreises ein entsprechendes Biete-Suche-Portal. Begeistert zeigte sie sich hingegen von der Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung und betonte: „Wir machen viele Einwohnerversammlungen, um die Leute auf Flüchtlinge vorzubereiten und Widerständen entgegenzuarbeiten.“

Mit Spannung erwartet wurden durch die Zuhörer auch die Berichte der beiden Vertreterinnen des Arnstädter Welcome-Büros. Petra Renger meinte, sie habe bei ihrem ehrenamtlichen Engagement ursprünglich mit sieben Stunden pro Woche angefangen: „Inzwischen bin ich fast bei sieben Tagen pro Woche angelangt – und meine Familie sieht mich kaum noch,“ beschreibt sie das Dilemma, in dem derzeit viele in der Flüchtlingsarbeit Engagierte stecken.

Daniela Dreuth hingegen legte den Finger auf einen anderen wunden Punkt: „Viele erwarten von uns eine professionelle Arbeit und sind sauer, wenn wir auf Hilfsangebote nicht gleich reagieren. Eine Handvoll ehrenamtlich Engagierter kann aber einfach nicht mehr leisten.“ Zugleich räumte sie mit einigen Vorurteilen auf: „Gerade Flüchtlinge aus Syrien waren vor dem Bürgerkrieg teils wohlhabend und sind oft hochgebildet. Die hungern lieber, als ohne gutes Handy zu sein – das ist für die das Tor zur Welt.“

Angelika Greim-Harland, die den Abend trotz des heiklen Themas souverän moderierte, zog abschließend ein Resümee: „Wir wollen Begegnungen ermöglichen, um Vorurteile abzubauen. Wir brauchen eine Offenheit für die, die zu uns kommen, sei es interreligiöser Dialog oder interkulturelles Lernen. In jedem Fall brauchen wir einen langen Atem.“

 

Wer Flüchtlingen helfen möchte, wende sich bitte an: