Siegen oder Mitmachen

Deutschland Tour. Am Freitagnachmittag kommen die Radfahrer direkt an meinem Fenster vorbei.

Und dann drehen sie noch eine Runde durch die Stadt. Ich werde rechtzeitig zu Hause sein und ihnen zuwinken. Voll Hochachtung. Wohl wissend, dass da nach allen vorherigen Anstiegen noch ein letzter steiler Anstieg vor ihnen liegt. Für mich ist es schon genug, wenn ich nur ein Mal mit meinem Fahrrad einen der Berge in der Stadt hochstrample. - So ein Wettkampf hat sein Regularium und ich kann mich ja entscheiden, ob ich mich anmelde und teilnehme oder bewundernd am Straßenrand stehe und Beifall klatsche.

Für die Fahrer geht es um den Sieg oder einfach ums Mitmachen, um die Anerkennung von anderen und sich selbst. Gewinnen aber wird nur einer. Manchmal denke ich, wir haben in unserem Leben auch so manchen Wettkampf auszutragen; nicht nur sportliche. Immer geht es darum, dabei zu sein, mitzumachen, sich anzustrengen, das Beste zu geben. Ja, und Sieger, Siegerin sein. Das wär schon was! Anerkennung bekommen für die Mühe, für die Anstrengung.

Das kennt auch schon der Apostel Paulus. Er ist in einer Umgebung groß geworden, in der Wettkämpfe selbstverständlich zum Leben dazugehörten. Und als er einen Brief an die Gemeinde in Korinth schreibt, vergleicht er seinen eigenen Einsatz für das Evangelium von Jesus Christus mit einem Wettkampf. „Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber dass nur einer den Siegespreis gewinnt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt.“ (1. Kor. 9.24).

Das klingt für mich zum einen aufmunternd und zum anderen befremdlich. Schließlich hat der Einsatz für das Evangelium ja auch was mit meinem Glauben zu tun. Und der ist doch nichts Feststehendes. Da mischt sich gern Zweifel ein, eine Durststrecke, eine Umleitung, ja manchmal sogar sowas wie eine Straßensperre. Sieger sein wollen, das heißt dann wohl, den Kampf immer wieder aufnehmen, auch nach einer Niederlage und egal wie er ausgeht. Das heißt auch, trainieren mit der Kraft, die gerade zur Verfügung steht, Gott einen Platz geben im Alltag – z.B. mit einem kleinen Ritual am Morgen: Danke, dass ich wieder aufstehen darf und am Abend: Danke, dass du mich an diesem Tag behütet hast. Das ist wie die Muskeln in den Oberschenkeln trainieren. Jeden Tag. Und dann geht’s den Berg rauf – mit der ganzen Kraft, die da ist. Darauf kommt es an.

Christine Behrend, Pastorin in Unterpörlitz