Guter Hirte

Einer meiner Studienorte könnte malerischer nicht liegen. Die Hochschule für Kirchenmusik in Dresden liegt in drei Villen gegenüber den Elbschlössern, direkt an den Elbwiesen.

Wenn die Fenster geöffnet sind, hören die Passanten draußen Orgeltöne oder Chorstimmen und die Studierenden drinnen das Tuten der Elbdampfer. Im Herbst hat man einen fantastischen Blick auf die Weinstöcke und sich verfärbenden Blätter der Bäume auf der anderen Elbseite. Fast könnte man des Ausblicks wegen das Studieren vergessen.

Und dann – alle Jahre wieder – gibt es noch ganz besondere Gäste auf den Elbwiesen. Dann hört man nicht nur Autoverkehr, übende Kommilitonen oder Elbdampfer, sondern vor allem das Blöcken der Schafe, die als natürliche Rasenmäher die Elbwiesen Stück für Stück abfressen dürfen. Ein besonderes Spektakel ist dabei immer, wenn die Schafe kommen oder gehen. Dann führt ein Schäfer mit einem besonderen Geschick die Schafe durch die Innenstadt, vorbei an Frauenkirche und staunenden Autofahrern oder Touristen, über eine der Elbbrücken zu den Elbwiesen.

So durfte auch ich Stadtkind, das sonst keine Schäfer kennt, hautnah erleben, was schon vor etwa 3.000 Jahren im 23. Psalm geschrieben wurde: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.“

Diese Worte lassen mich immer wieder Trost und Zuversicht schöpfen: Gott begleitet uns durch unser Leben, auch in finsteren Tälern, oder – um im Dresdner Bild zu bleiben – im Waldschlösschentunnel, wo wir das Ende noch nicht sehen können.

„Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“ Ich wünsche auch Ihnen, dass Sie in der kommenden Woche immer wieder dieses Gute spüren und erleben dürfen – vielleicht ganz unverhofft, wenn Ihnen ein Schaf begegnet.


Rufus Brodersen, Kantor für Stadtilm und Griesheim