Gib niemanden verloren!
"Gib niemanden verloren!" Das habe ich bei meiner Ordination versprochen.
Ich werde dieser Tage häufig gefragt: Warum habt Ihr bei Eurer Veranstaltung eine vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Partei eingeladen? Wer es noch nicht weiß: Am 15.8.24 fand in der Bachkirche Arnstadt eine Podiumsdiskussion zur Landtagswahl mit KandidatInnen des Wahlkreises 23 und darüber hinaus statt. Veranstalter war der Evangelische Kirchenkreis. Eingeladen waren die Parteien, die eine reale Chance haben, die Fünfprozent-Hürde zu nehmen. Man kann nicht leugnen - da ist eine rechtsextreme Partei mit dabei.
Kaum war das share-pic raus, hagelte es Kritik: Ihr gebt den Faschisten eine Bühne!
Abwarten. Wir sind der Meinung, wir können eine Wählerschaft von 20-30 Prozent nicht ignorieren. So haben wir uns entschieden, alle einzuladen. Oder hätten wir Bündnis 90/Die Grünen oder die FDP nicht einladen sollen, bei denen der Einzug in den Landtag doch eher auf der Kippe steht?
Auch im kirchlichen Raum gibt es Wählerinnen und Wähler der rechtsextremen Partei. Ein paar von ihnen kenne ich ein bisschen näher. Diese lehnen die Demokratie nicht grundsätzlich ab. Einige von ihnen haben mich sogar bei einem Kirchenasyl unterstützt - oder fast.
Ich habe hier in Thüringen gelernt: Man darf die Leute nicht über einen Kamm scheren. Darum streite ich mit allen um eine Perspektive für die Zukunft unseres Landes. Du leugnest den Klimawandel? Allen Ernstes? Du möchtest jemanden, der sich bei uns mit seiner Familie schon gut eingelebt hat, abschieben? Brauchen wir Fachkräfte oder brauchen wir keine?
Helfen wir ihnen lieber bei wirklicher Integration, anstatt sie loszuwerden! Unsere Hochschulen befürchten, dass sie keine ausländischen Wissenschaftler mehr gewinnen können. Wo soll das hinführen? Soll ich auch wieder gehen, weil ich eine rheinische Migrationsgeschichte habe?
Das ist meine Maxime: Ich gebe niemanden verloren.
Elke Rosenthal, Pfarrerin und Superintendentin im Kirchenkreis Arnstadt-Ilmenau