Geist(l)iche Zumutungen

Mit dem Tag der Heiligen Dreifaltigkeit kehrt im christlichen Kalender sozusagen der Normalzustand ein.

Die Sonntage danach werden bis zum Ende des Kirchenjahres einfach durchnumeriert - erster Sonntag nach Trinitatis, zweiter Sonntag nach Trinitatis usw. An diesem Sonntag Trinitatis geht es um das christliche Gottesbild. Ein bisschen verzwickt, sich damit auseinanderzusetzen: Gott, der Vater und Schöpfer ist gleichzeitig auch Jesus und der heilige Geist. Zunächst scheinen diese Gedanken ja wenig mit meiner Lebenswirklichkeit zu tun zu haben. Aber Achtung! - Es gibt hier Brennstoff.

Gott sitzt nicht ungerührt irgendwo im Himmel und ist durch unendliche Distanzen von mir getrennt. Gott lässt sich anfassen, macht sich angreifbar. Er wird sichtbar, wenn ich Jesus angucke. Mit Jesus wird alles anders. Er stellt die bestehenden Gesetze und Regeln sämtlich in Frage und damit auf den Kopf. Seit Jesus zählt nicht mehr die sichtbare Macht. Wirklich wirksam ist nur die Liebe, selbst wenn diese Liebe zu scheitern scheint. Diese neue und revolutionäre Gegen-Wirklichkeit scheint absurd und zum Scheitern verurteilt. Liebe statt Macht, das ist kaum zu glauben.

Wie absolut demgegenüber allerdings das Scheitern unseres überkommenen Welt- und Wertekon- zeptes ist, zeigt ein wacher Blick in unsere momentane politische Welt. Unsere scheinbar bewährte Sicht auf die Dinge hat sich schon lange, und immer mehr, als ungenügend erwiesen.

Irgendwie wollen es ja wohl alle gut machen (vielleicht sogar die ganz unangenehmen Politiker). Aber es haut nicht hin: Die Macht dient immer nur Wenigen, Gerechtigkeit ist einfach nicht herzu- stellen ohne Vorteilsnahme Einiger und ohne das irgendwer das Recht bricht. Trotz aller Mühen gibt es weiter Krieg, Elend, Hunger, Ungerechtigkeit, Schmutz. Letztlich regieren die Gier und die Sucht danach, dass es mir gut geht. Dass es anderen vielleicht schlecht geht, nimmt man in Kauf. Dabei wird unendliches Leid erzeugt. Millionen sterben. Vielleicht stecken wir die ganze Welt in Brand, die Möglichkeiten dazu haben wir. Das Prinzip „Wir zuerst“ ist bei näherem Hinsehen gründlich missglückt. Auch wenn wir im satten Deutschland bequem und sicher leben - auch wir werden uns eher früher als später mit den globalen Weltwirklichkeiten auseinandersetzen müssen.

Hier kommt der dritte Aspekt unseres Gottesbildes ins Spiel - der heilige Geist - kaum zu glauben und doch alternativlos. „Der Geist der Weisheit und des Verstandes, ... der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn“ (ganz wunderbar vertont in Mendelssohns Oratorium „Elias“). Dieser Geist ist eben nicht der Geist, der das Funktionieren der Welt noch weiter optimiert. Dieser Geist lässt uns vielmehr das scheinbar Unglaubliche glauben. Daran, dass die Liebe das letzte Wort hat und nicht der Ungeist und das Funktionieren der Welt, wie sie nun ‘mal ist. Der Geist Gottes ist dynamisch. Er ist nicht, er wird. Er ist eine Zumutung und gleichzeitig der wirklich gültige Beweger.

Kantor Hans-Jürgen Freitag, Ilmenau