Diese Zeit

Zum Jahreswechsel geht es den „Frommen“ unter uns gar nicht viel anders als den „Weltlichen“.

Die einen fragen sich, wie Gott das alles zulassen kann und die anderen denken, dass die Welt mehr als genug beweist, dass der Glaube an eine „höhere Macht“ nur Unsinn ist.

Gottverlassen scheint die Welt in jedem Fall zu sein. Auch die Zeitung am Ende des Jahres 2022 ist voll mit Meldungen und Meinungen zu den Krisen, in denen wir leben. Sie stecken uns in den Köpfen und in den Knochen. Sie ängstigen unsere Herzen. Sie machen uns wütend. Viele von uns führen die Krisen aber auch zu konkreter Nächstenliebe, zu Verzicht, zu kreativem Protest und Solidarität mit denen, deren Leben bedroht wird.

Ist diese Zeit wirklich „gottverlassen“, wie auch ich das manchmal so dahinsage, ohne viel darüber nachzudenken? Oder mache ich es mir damit viel zu einfach? Denn hat der anwesende oder der ferne Gott an allem Schuld, kann ich so tun, als hätte ich mit den Krisen der Welt nichts zu schaffen und sei nur deren hilfloses Opfer.

In Wahrheit spricht und klagt Gott doch ohne Pause in unser Leben hinein. Jedes hungernde und weinende Kind hat seine Stimme. Jeder Tote an den Fronten mahnt gegen die Verachtung der Gebote und der Humanität.

Gott ergreift Partei. Er lässt Menschen klug und streitbar werden gegen den neuen, rechten Aberglauben. Er lässt es nicht zu, dass trotz aller eigenen, verständlichen menschlichen Sorgen und Befürchtungen, Pflicht- und Verantwortungsgefühl ausstirbt. Er lässt die Jugend neu beginnen, ohne dass ihr die Enttäuschungen und die ernüchternden Erfahrungen ihrer Eltern die eigene Hoffnung raubt.

Das Bibelwort für diesen Silverstertag kommt aus dem 31. Psalm der Bibel. Es heißt: „Meine Zeit steht in deinen Händen.“

Das gilt heute und für das kommende Jahr. „Meine Zeit steht in deinen Händen“ ist Trost und Mahnung zugleich.  Ohne dass wir nach Gottes Willen fragen, und ihm – so gut wir können – folgen, wird Gott in dieser Welt schwer zu finden sein.

Nach Gründen zum Klagen und Fluchen müssen wir nicht lange suchen. Das ist schon wahr.
Gründe zur Zuversicht jedoch ließen sich finden. Nutzen wir die Zeit und suchen wir nach Hoffnung! Stehen wir denen zur Seite, die Hoffnung wachsen lassen und sie beschützen. Vor uns liegt dafür ein ganzes, neues Jahr.

Andreas Müller, Pfr.i.R.