"Dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin." (1. Kor 12, 35)

Pastorin Christine Behrend, Unterpörlitz: "Wort zur Woche" für den 9.2.14

Zwei Schwäne setzen vorsichtig ihre flossenartigen Füße über die dünne Eisfläche. Sie haben ein Ziel: Die kleine offene Wasserfläche des Teiches. Dort schwimmen drei dunkle Wollknäuel. Zuerst denke ich: Enten. Mir fällt das Märchen von Hans Christian Andersen "Das hässliche junge Entlein" ein.

Ja, denke ich. Schwanenkinder sind ihren Eltern so wenig ähnlich, wenn sie ausschlüpfen! In dem Märchen gerät das Schwanenkind zuerst in die Entenfamilie, dann bekommt es von Hühnern zugesetzt und völlig verängstigt flieht es schließlich auch aus der Nähe der Menschen. Den harten Winter im Moor verbringt es allein. Und erst im Frühjahr entdeckt es, wie seine Flügel schwingen und sieht sein eigenes Spiegelbild. Es ist jetzt der schönste aller schönen Vögel, sagen die anderen Schwäne.

Dinge, die sich verändern wollen, brauchen Zeit. Unsere Kinder sind wohl als Menschenkinder erkennbar, wenn sie auf die Welt kommen. Aber bevor sie ihr Leben selber in die Hand nehmen können, vergehen Jahre. Und da verändern sich nicht nur ihre Größe und ihr Aussehen! Ebenso wenn Menschen alt werden. Wenn die Kräfte wieder nachlassen, wenn es heißt, letzte Dinge zu erledigen und anzuerkennen: Ich werde nicht ewig leben. Meine Tage gehen jetzt in einem anderen Takt. Veränderungen brauchen Zeit!

Für mich ist auch der Winter in jedem Menschenjahr so eine Zeit, in der sich Dinge verändern können. Noch geht alles etwas langsamer. Noch sind die Abende nicht hell. Noch springen die Knospen nicht auf. Zeit des Wachsens und Möglichkeit, sich zu verändern. Welches "Kleid" möchte ich in diesem Jahr anlegen? Was soll treiben und blühen? Was kann ich der Welt von dem weitergeben, das ich zuvor als Begabung geschenkt bekam? Meine Lieder, mein Lächeln, meine Kochkunst, mein handwerkliches Geschick, …? Und schließlich: Wie kann ich werden, die oder der ich bin?

Ein Christ ganz am Anfang, der Apostel Paulus, schreibt an seine Gemeinde in Korinth: "Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin." (1. Kor. 13.12) "Dann" - damit meint Paulus am Ende der Zeit. Wenn wir Gott von Angesicht zu Angesicht begegnen. "Dann" erkennen wir (uns) ganz. Das ist noch lange hin, denke ich. Bis dahin aber möchte ich Frühjahr um Frühjahr etwas Neues an mir entdecken. Immer eine weiße Feder mehr. So dass immer mehr von dem zum Vorschein kommt, was ich wirklich bin. Ich bin gespannt und neugierig, was es dieses Jahr sein wird. - Und Sie?