Aus tiefer Not

„Krisenmodus aus, BITTE!!!“

Dieser Ruf fasst vielleicht am besten zusammen, was einen großen Teil der Menschheit in den letzten zwei Jahren bewegt und in den letzten gut zwei Wochen noch zusätzlich um eine große Sorge beschwert, die uns indirekt und die Auswirkungen schon jetzt direkt betrifft.

Dabei kommen bei den Menschen um mich sehr viele unterschiedliche Fragen auf, die meist nicht beantwortet werden können. Dazu kommen viele Informationen der Medien, die nur einen Teil eines gesamten Bildes erfassen können. Dadurch wird im besten Fall Respekt für die Situation erzeugt, aber auch an vielen Stellen Angst. Letzteres kann krank machen. Es muss und darf m.E. auch nicht alles aufgenommen werden.

Es ist wichtig, die Menschen, die in Not sind (dabei die Frage: Wer ist jetzt in Not?) zu stützen und zu heilen, ob in der Nähe oder in der Ferne. Diese Schwingungen haben verschiedene Formen. In diesen Tagen sind es Aufrufe, Sachmittel zu spenden für Hilfstransporte in die Krisengebiete. In Friedensandachten entwickelt sich lebenswichtige Kultur. Nicht die Kultur zum Genießen, sondern Rituale, die sich aus der Summe von Lebensbewältigungsstrategien zusammensetzen.

In allen Zeiten ist der Mensch in seinen Ritualen als singendes, klingendes und tanzend-bewegendes Wesen in Erscheinung getreten, um sich mit sich selbst, mit einer Gruppe und mit der Natur, in den gottesdienstlichen Formen mit der unsichtbaren Welt zu verbinden, um ganz heil zu werden und um Kraft zu schöpfen. Diese Sehnsucht ist jetzt besonders groß.

Für mich entwickelt sich zum Beispiel in den Friedensandachten für Menschen in Not mit meinem intensiven Musizieren, lauten Gebetsrufen und kräftigem Gesang eine unermüdliche Kraft. Das bringt Leib, Seele und Geist in eine große schwingende Bewegung.

„Aus tiefer Not SCHREI ich zu dir. Herr Gott, erhör mein Rufen... Doch soll mein Herz an Gottes Macht verzweifeln nicht noch sorgen" - so interpretiert Martin Luther den Psalm 130. Mögen alle, die jetzt die Kraft haben, für die in Not leidenden Menschen eintreten: „schreiend“ – d.h. voller Inbrunst und Intensität. Ob es die Menschen erreicht und ob sich die Bitten erfüllen, bleibt dabei offen.

Allein mit vollem Herzen sich für andere Menschen in Not dreinzugeben ist ein Zeichen großer Liebe und ein großer Schatz für eine schöne Welt, die Krisen gemeinsam besser zu bewältigen vermag.

Jörg Reddin, Kantor in Arnstadt