08.07.2020
Mehr als eine Herberge

Was als Pilotprojekt begann, ist inzwischen eine Erfolgsstory: die „Her(r)bergskirche“ in Neustadt am Rennsteig. Kürzlich erhielt sie im Rahmen des Wettbewerbs „Goldener Kirchturm“ einen Preis.

„Das Preisgeld von 1.500 Euro werden wir dafür verwenden, in der Kirche sanitäre Anlagen zu installieren“, verrät Horst Brettel. Der 73Jährige ist langjähriges Mitglied des Gemeindekirchenrats und quasi Herbergsvater der „Übernachtungsmöglichkeit Michaeliskirche“. Diese Rolle scheint ihm wie auf den Leib geschneidert, wie zahlreiche Einträge im Gästebuch der Kirche zeigen.

„Wir sind ein Team von Ehrenamtlichen – anders wäre es gar nicht zu schaffen“, betont Brettel, der sich zugleich begeistert zeigt, wie gut die Idee der „Her(r)bergskirche“ seit 2017 angenommen werde: Die Zahl der Übernachtungen sei von 40 im Jahre 2017 auf über 190 im letzten Jahr gestiegen. „Und dieses Jahr haben wir erstmals einen Monat, der komplett ausgebucht ist“, freut sich Brettel.

Doch hinter dem Konzept der „Her(r)bergskirche“ steckt mehr: Nicht nur die (zahlenmäßig meist kleine) Kirchengemeinde soll profitieren, sondern der gesamte Ort und die Region. Und das beschränke sich nicht nur aufs Ankurbeln von Tourismus und Gastronomie, sondern habe zum Ziel, die jeweilige Kirche mit soziokulturellen Veranstaltungen zum beliebten Treffpunkt werden zu lassen.

Die Idee für das Projekt geht letztlich zurück auf den „Querdenker“-Wettbewerb der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) von 2017, der eine Gruppe junger Architekt*innen dazu animierte, gemeinsam mit Kirchengemeinde, Kirchenkreis und örtlichen Vereinen „Quernutzungsansätze“ für die Neustädter Michaeliskirche zu suchen, wie es in der Projektbeschreibung heißt.

Die jungen Leute gingen dabei höchst professionell und zugleich kostensparend zu Werke: Möbel und Übernachtungsbett wurden aus einfachen Mitteln selbst gebaut, der per Vorhang vom Kirchenraum abgetrennte Raum mit einem stimmigen Licht- und Farbkonzept versehen. All das erhöht einerseits die Akzeptanz innerhalb der Kirchengemeinde, dient andererseits aber auch dem Wohlbefinden der Gäste. Und die kommen, dank eines Online-Inserats bei einem bekannten Übernachtungsanbieter, aus aller Welt und zahlen die derzeit 15 Euro pro Person und Übernachtung gerne. „Sogar aus Australien hatten wir schon Gäste hier“, meint Horst Brettel nicht ohne Stolz.

Die EKM-Jury war vom Konzept und seiner Umsetzung offenbar derartig angetan, dass sie unter 18 Bewerbern drei für ein Preisgeld im Wettbewerb „Goldener Kirchturm“ auswählte – darunter die „Her(r)bergskirche Neustadt am Rennsteig“. Propst Christoph Hackbeil, EKM-Beauftragter für Kirchbaufördervereine, meinte bei der Preisverleihung, die Jury habe vor allem das große ehrenamtliche Engagement und das hervorragende Zusammenspiel mit anderen kommunalen Akteuren überzeugt.

Für die Zukunft planen die Neustädter, ihre Idee entlang des Rennsteigs zu exportieren. Aussichtsreichster Kandidat für eine nächste „Her(r)bergskirche“ ist Tambach-Dietharz. Rennsteig-Wanderer und -Radler wird das freuen. 

Weitere Infos & Buchung:

https://www.kirchenkreis-arnstadt-ilmenau.de/arbeitsbereiche/her-r-bergskirche-neustadt-rstg/