Sehnsucht

Sehnsucht – was für ein seltsames Wort. Ich sehne mich und suche etwas.

Sehnsucht macht mein Herz groß und weit. Sie führt mich hinaus in eine andere Welt. Sie lässt mich träumend lächeln. Und ich schaue darauf, wie auf ein Meer aus lauter bunten Blumen. Sehnsucht hat etwas mit meiner Seele zu tun. Und mit meinem Herzen. Tief in mir steckt etwas, was sich erfüllen will. Was hin und wieder berührt wird und so klingt wie eine vollkommene Musik. Für einen kleinen Moment nur. Aber der ist so wundervoll, dass ich mir wünsche, er möge niemals aufhören. Sehnsucht. Manchmal zerreißt mir mein Herz darüber. Ich erreiche es nicht, was ich suche. Es schmerzt. Es ist, wie wenn ich es in weiter Ferne sehen kann und doch spüre, dass ich nicht dahin komme. Dann wiederum will ich sie am liebsten verstecken. Will nichts davon wissen, weil es so wehtut. Und weil andere denken und sagen, es ist doch nur eine spinnerte Idee.

Sehnsucht – eine Sucht. Ein immerwährendes Verlangen. Ich hänge daran. Komme nicht los von dem, was mir so kostbar scheint. Was mich mit dem Leben verbindet und was mir die Schönheit des Lebens offenbaren will. „Wie ein Hirsch nach frischem Wasser lechzt, so sehnt sich meine Seele nach dir, mein Gott.“ Ein wunderbares Psalmwort. Genauso fühlt es sich an. Als wüsste meine Seele längst, dass es diesen Ort gibt. Sie will sich verbinden mit göttlicher Energie, mit diesem Licht, das dunkle Ecken erhellt und traurige Augen wieder strahlen lässt.

Verletzlich ist sie, die Sehnsucht. Sie braucht göttlichen Schutz, damit sie nicht an den Realitäten dieser Welt zerschellt wie ein Glas, das auf den Boden fällt und in tausend Stücke springt. „Die Würde des Menschen ist die Fähigkeit des Menschen zu überschreiten, was ist“, sagt Dorothee Sölle.

Ja, die Sehnsucht verbündet sich mit der Würde, die ich in der Frau erkenne, die so tief gebückt geht, dass sie den blauen Himmel über sich gar nicht mehr sehen kann. Sie steckt ganz sicher auch in dem Mann, der mit Handschuhen die Mülleimer nach etwas Brauchbarem durchwühlt. Sie ist verborgen in allem, was andere als hoffnungslos abtun.

Ich kann es nicht. Ich kann die Hoffnung nicht aufgeben. Ich sage Ja zu meinem Leben, auch wenn ich selbst darin oft genug gute Gründe finde, nur aufgehäufte Probleme zu sehen. Ich sage Ja zu meinem Leben, weil meine Sehnsucht mich zieht. Sie erfüllt sich niemals ganz. Zum Glück. Denn so bleibt sie mal zärtlich mitfühlend, mal kräftig aufrüttelnd das, was meine Seele lockt ein Leben lang.

Magdalene Franz-Fastner, Pastorin in Ilmenau