Schicksalsschläge

Vor einigen Wochen hatte ich eine lange Autofahrt von vielen hundert Kilometern.

Über ein Mitfahrportal nehme ich Reisende mit für einen kurzen oder auch längeren Teil der Strecke, was die Fahrt meistens sehr kurzweilig macht. So begegnete mir ein junger Mann (Mitte 30) mit einer sehr bewegenden Lebensgeschichte. Aus einem Dorf in Bayern kommend, war er mit Mitte 20 scheinbar glücklich in Hamburg angekommen und verheiratet.

Dieser Zustand änderte sich bald: Auf der Arbeit nicht von allen gemocht, wurden manche Arbeitsgänge, die er nicht gleich verstanden hatte, von seinen Kollegen nicht noch einmal erklärt und so wurde bewusst seine Fehlerquote erhöht. Das ging weiter mit hässlichen Gemeinheiten, in denen er sich zum Gespött gemacht hat und sich ein großer „Spaß“ mit ihm gemacht wurde.

Seine Autoreifen wurden zerstochen und Rauschmittel wurde ihm ins Trinken getan. Halluzinationen und Verfolgungswahn waren die Folge, Geisterfahrten ohne Licht auf der falschen Fahrbahn ebenso, ... .

Seit acht Jahren lebt er wieder bei seinen Eltern in Bayern als Invalidenrentner, muss Psychopharmaka einnehmen, wodurch der Körper sehr gezeichnet ist. Der Mann sieht um vieles älter aus, ganz zu schweigen von anderen Einschränkungen, die damit verbunden sind. Er traut sich selbst nicht viel zu und hat keine Lebensvision. Ein Hoffnungsschimmer am Horizont ist für ihn ein bald beginnender mehrwöchiger Reha-Aufenthalt.

Während unserer Fahrt habe ich zunächst zugehört, später auch ein Stückchen Freude meines Lebens weitergegeben und viel Hoffnung. Mein Weg früher war auch alles andere als geradlinig. Dabei erhellte sich sein doch sehr niedergeschlagenes Gesicht. Vielleicht kann sich Kraft freisetzen, so dass er sich mehr zutraut, neuen Lebensmut schöpfen kann und eine Integrität außerhalb des Elternhauses möglich wird.

„Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, so fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir.“ heißt es im 23. Psalm. Gott holt uns nicht unbedingt gleich oder überhaupt aus Schwierigkeiten heraus. Manchmal ist sehr viel Geduld nötig. Öfters geht es nicht allein. Wie wertvoll kann dabei ein wohlwollender Begleiter sein.

Wenn das Lösen aus schwierigen Lebensumständen sogar aus eigener Kraft passieren kann, ist es ein besonderer Segen. Es richtet auf, um Licht zu sehen, Freude zu empfangen und zu erleben. Beides wünsche ich im übertragenen Sinne uns allen in dieser doch sehr angespannten Zeit.

Kantor Jörg Reddin, Arnstadt