Pläne machen

Ich bin ein Mensch, der gerne Pläne macht und diese Pläne dann auch durchführt. Das ist in mei- nem Beruf, aber auch in meinem Privatleben eine wichtige Sache.

Um einen musikalischen Auftritt gut hinzubekommen, egal, ob mit dem Chor oder als Organist, muss ich planen und üben, dann kann es auch schön werden. Wenn ich nicht rechtzeitig die Solisten und das Orchester für das Weihnachtsoratorium zusammenhabe, wenn der Chor die Noten noch nicht kann, meine Finger noch nicht so richtig wollen, oder wenn ich die Partitur nicht einigermaßen im Kopf habe, dann wird’s nichts.

Eigentlich ist es ja in den meisten Lebensbereichen so: Wenn’s was werden soll, braucht es eine gute Planung und eine verlässliche Durchführung. Das ist so im Beruf, bei der Wandertour im Som- merurlaub, bei der Finanzplanung für größere Anschaffungen und bei den meisten Dingen, die uns im Leben so begegnen. Damit all das funktioniert, bin ich eingebettet in ein ganzes Bündel notwendiger Sicherheiten.

So ein Sicherheitsnetz ist wichtig. Das fängt an mit Nahrung, Kleidung und einem Dach über dem Kopf, dann braucht es eine gewisse finanzielle Sicherheit, ein einigermaßen funktionierendes soziales Umfeld, eine (am besten erfüllte und erfüllende) berufliche Tätigkeit, Gesundheit, genügend Schlaf und sehr gerne auch eine gewisse Behaglichkeit.

Ohne solche Sicherheit wäre es schwer. Wenn ich beständig mit dem Wissen leben müsste, ich gehe die ganze Zeit auf sehr dünnem Eis und weder Haftpflicht-, noch Hausrat-, noch Lebensversi- cherung können mich vor dem Einbrechen bewahren, können eine wirklich gültige Sicherheit bie- ten; wie könnte ich da glücklich und in Frieden sein?

In der Ballade „Der Reiter und der Bodensee“ erzählt der Dichter Gustav Schwab von einem Reiter, der im bitterkalten Winter unbedingt noch die Fähre über den Bodensee erreichen will. Er gelangt auf eine flache, baumlose Ebene und reitet immer weiter bis er schließlich die Lichter einer Ortschaft erreicht. Die Einwohner strömen zusammen und erklären ihm, dass er die ganze Zeit über den zugefrorenen See geritten ist. Im Moment, in dem er gewahr wird, in welcher Gefahr er gewesen ist, fällt er voll Schreck vom Pferd und stirbt.

Wenn ich ehrlich bin, passt mir die Erkenntnis aus der Ballade überhaupt nicht. Das ist doch sehr unbequem, ich will doch mein Leben in die Hand nehmen, will gestalten, planen, durchführen, zum guten Ende bringen, schaffen. Und doch scheint meine Sicherheit, wenn ich ‘mal genug Mut für ei- ne realistische Weltsicht aufbringe, sehr gefährdet - immer auf dünnem Eis, immer gewärtig, dass meine Pläne möglicherweise allesamt nicht hinhauen.

Wie dünn das Eis ist, wie wenig Sicherheit es wirklich gibt, davon haben wir alle ja spätestens im letzten Jahr zumindest eine Ahnung gekriegt. Und leider spricht sehr vieles dafür, dass sich in den nächsten Jahren diese Erkenntnis immer stärker und mit Macht Bahn brechen wird.

In der Bibel ist dieses von uns so gern und so gründlich verdrängte Wissen selbstverständlich. Im Gleichnis vom reichen Kornbauern wird erzählt, wie jemand schöne und gute Pläne macht, aus denen nichts wird. Er erntet so viel, dass er all seine Scheunen abbrechen und durch neuere und größere ersetzen will. All seine Reichtümer will er „auf viele Jahre daliegen“ lassen und sich schließlich seines Reichtums freuen: „Ruhe aus, iss, trink, sei fröhlich“. Dabei vergisst er, dass er sterblich ist: „Du Tor! In dieser Nacht fordert man deine Seele von dir... So geht es dem, der für sich Schätze sammelt und nicht reich ist vor Gott.“

Vielleicht ist das ja eine lohnende Aufgabe für die Zukunft: die Übersetzung der Aussage des Gleichnisses in meine Wirklichkeit. Dabei kann ich getrost auch ausruhen, essen, trinken und fröh- lich sein; und Pläne machen darf ich auch. Wichtig ist, zu erkunden, was das für mich heißt, was für eine Lebenseinstellung hinter dem Wort steht: Reich sein vor Gott.

Hans-Jürgen Freitag, Kantor in Ilmenau