Musikalische Heilung

„Bey einer andächtigen Musique ist allezeit Gott mit seiner Gnaden Gegenwart.“ Diese Worte hat Johann Sebastian Bach eigenhändig in seine Bibel neben dem Bericht von der Einsetzung der jüdischen Tempelmusik (2. Chronik 5, 13) eingetragen.


Schon sehr lange denke ich darüber nach – was ist eine „andächtige Musique“? Andacht hat im Laufe ihrer Geschichte sehr viele Wandlungen vollzogen und bedarf von Zeit zu Zeit einer neuen Übersetzung in die jeweilige Zeit. Sie wird in vielerlei Formen von allen Menschen praktiziert und beschränkt sich bei weitem nicht nur auf den kirchlichen Raum.

Mit Musik  kann das an vielen möglichen Stellen sein, vielleicht wenn im sommerlichen Park jemand mit der Gitarre spielt, einige dazu singen und andere zuhören. Für andere ist es eine Livemusik in einem Caféhaus, in Konzertsälen, im Popkonzert, Musik im heimischen Radio oder Fernseher,… und natürlich in der ursprünglichen Form – Musik in den Kirchen.

Es müssen nicht nur beruhigende Klänge sein. Mitunter können auch aufreibende, laute Klänge die Seele in Schwingungen versetzen, um große Spannungen zu kanalisieren und zu lösen. Auch können es schöne Texte mit wunderbaren Melodien sein, die nicht kirchlich-geistlichen Ursprungs sind, die zu einer Andächtigkeit führen. Musik kann Heilung sein und das Gefühl ansprechen.

Diese Erkenntnis hat sicher zur Einsetzung der jüdischen Tempelmusik geführt und hat sich auf viele Bereiche im Laufe der Zeit ausgebreitet. Natürlich gibt es nicht nur gute Seiten von Musik. Wenn sie zum Selbstzweck genutzt wird, hat sie mitunter kurzzeitig eine Wirkung. Sie bleibt aber nicht lange erhalten, weil sie nicht in der Tiefe von Herz zu Herz gehen kann und damit der Energiefluss stockt.

So die Energie im Fluss ist, bewegt sie, und das Gefühl der Aufrichtung, Zufriedenheit und Erfüllung ist für mich das Zeichen der Anwesenheit der höheren Macht. Ich wünsche jedem Menschen viele Momente der „andächtigen Musique“ und der damit verbundenen Erfüllung als Ausführender wie auch als Zuhörer. Denn letztlich musizieren alle.

Jörg Reddin, Kantor in Arnstadt