Mitten unter euch

Das Reich Gottes ist mitten unter euch. (Lk 17,21)

Meine Kirche versteht sich als die Gemeinschaft derjenigen Glücklichen, die „evangelische“ Glaubende sind, unsere eigene Gruppierung im Reich Gottes, könnte man sagen. Sie ist sehr sichtbar in der Öffentlichkeit: Kirchengebäude ragen über die umgebenden Dächer hinaus, Glocken rufen weit hörbar zu bestimmten Zeiten zum Innehalten und unsere Bischöfinnen und Bischöfe erscheinen regelmäßig in der Öffentlichkeit.

Diese Kirche ist  gleichzeitig auch ein sehr bunter Haufen mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Mitgliedern. Aus diesem Haufen gucken natürlich immer ein paar Christen und Christinnen hervor, die dann von außen sichtbarer sind. Ich muss zugeben, es ärgert mich, wenn andere, sichtbarere Leute aus unserer Glaubensgemeinschaft Sachen im Fernsehen erzählen, die mir nicht gefallen. Es könnte ja sein, dass dann alle denken, dass „die ganze Kirche“ genauso ist.

Glücklicherweise kann kein Christ für alle anderen sprechen, denn dafür sind wir einfach zu verschieden. Ich kenne keine zwei Christen, die einem dasselbe über Gott erzählen würden. Den Satz oben, den hat Jesus sogar zu Leuten gesagt, die nicht alle an ihn geglaubt haben. Im Gegenteil, er hat ihn zu Pharisäern gesagt. Die waren zu einem großen Teil gegen ihn.

Was Jesus damals schon wusste, das ist heute genauso wahr: Sehr viele Leute gehören zum „Reich Gottes“, zur großen Gemeinschaft der Glaubenden, und es ist unsichtbar. Sie sind nirgendwo Mitglied, sie reden nicht über Gott, sie haben kein Fisch-Symbol am Auto und sie spenden nicht für die Diakonie.

Zu denen hätte Jesus auch gesagt: Das Reich Gottes ist mitten unter euch. Glaube findet unsichtbar und in uns statt, und er ist sehr verschieden. Verrückt verschieden. Es kann sogar sein, dass man glaubt, man ist gegen Jesus, und der sagt einem: Du hast trotzdem Gott in dir. Es kann sogar sein, dass man glaubt, man ist gegen die Kirche, und gehört trotzdem zur Gemeinschaft der Glaubenden.

Vielleicht gehören Sie ja auch zu der unsichtbaren Kirche, der heimlichen Gemeinschaft der Leute, die irgendwie an Gott glauben. Das würde mich freuen. Glauben macht glücklich. Und Glück, das ist auch so wie Glauben – manchmal sichtbar – manchmal unsichtbar.

Conrad E. Neubert, Schulpfarrer im Kirchenkreis Arnstadt-Ilmenau