Eine Stimme

Sie haben eine Stimme! So habe ich es auf den Wahlunterlagen zur Briefwahl gelesen.

Ich habe meine Stimme schon abgegeben. Seltsam eigentlich diese Formulierung, doppeldeutig. Ich möchte meine Stimme ja nicht abgeben, denn dann hätte ich sie nicht mehr und wie sollte ich mich bemerkbar machen? Ohne Stimme geht das nicht.

Aber so ist das natürlich auch nicht gemeint. Ich habe eine Stimme und die bleibt mir, auch nach diesem Wahlsonntag. Ich brauche sie, um mit anderen in Verbindung kommen. Ich möchte sie einsetzen, um gute Worte zu sagen, um hinzuweisen und nachzufragen, um sie zu erheben, wenn Menschen Unrecht erleiden. Ich brauche meine Stimme, um erkennbar zu bleiben unter den vielen Stimmen.

„Hallo, wer ist da?“ „Ach, du bist es! Ich habe dich an deiner Stimme erkannt!“ Wie oft passiert das am Telefon bei einem unerwarteten Anruf oder auch bei Wiedersehen nach vielen Jahren. Unsere Stimme macht uns erkennbar. Meine Stimme gehört zu mir. „Wie schön, deine Stimme mal wieder zu hören!“ Die Stimmen derer, die wir lieben, tun uns gut. Sie erreichen uns, obwohl wir den anderen vielleicht gar nicht sehen können.

Aber es gibt auch das Gegenteil: „Ich kann die oder den nicht mehr hören!“ Schon die Stimme erzeugt Abwehr, auch bei manchen Stimmen der Politiker und Politikerinnen geht es mir so. Da möchte ich die Botschaft gar nicht mehr weiterverfolgen. Doch bei so vielen Stimmen kommt es darauf an, genau hinzuhören! Was steckt hinter diesen Stimmen? Dient das, was sie sagen dem Leben, dem guten Miteinander aller Menschen, diesem Land, dieser Welt?

Am Sonntagabend, wenn die Stimmen abgegeben und ausgezählt sind, wird es Gewinner und Verlierer geben. Aber letztlich wird wichtig bleiben, dass wir unsere Stimme behalten und weiter erheben.

Jesus sagte über seine Anhänger und Freunde: „Sie kennen meine Stimme und sie folgen mir.“ (Joh.10, 27 ff) Die Stimme von Jesus können wir heute nicht mehr hören, aber das, was er gesagt hat, das hat er auch gelebt mit allen Konsequenzen. Es hat seine Bedeutung nicht verloren bis heute.

Die Dimension seiner Botschaft hat nichts zu tun mit Versprechungen für die nächsten vier Jahre. Seine Botschaft, seine Worte, sein Handeln; all das erreicht mich, spricht mich an, verändert die Sicht auf mein Leben, gibt mir Hoffnung, Mut und Halt. Seine Stimme trägt mich ein ganzes Leben und darüber hinaus, und er gibt mir eine Stimme, meine Stimme, die bei ihm immer zählt.