Von der Angst zur Freude

Der Sonntag Lätare bedeutet übersetzt: „Freut euch!“


Mittfasten ist überschritten, es geht unaufhaltsam auf Ostern zu. Weitere Namen wie Freudensonntag oder Rosensonntag verweisen auf einen fröhlichen Charakter dieses Sonntags.

Freut euch! Viele fragen sich, ob das noch geht in diesen düsteren Zeiten, sich unbeschwert freuen. Dazu prasseln zu viele schlimme Nachrichten auf uns nieder. Der zurückgekehrte Krieg in Europa hat die Sicherheit unserer friedlichen Nachkriegsordnung pulverisiert. Die ins Unerträgliche gesteigerte Eskalation des 76 Jahre alten Nahostkonflikts lässt sich angesichts des Leids auf beiden Seite kaum verkraften.

Seit der Coronapandemie leiden wir an einer tiefen Vertrauenskrise. Trollhorden in den sozialen Medien, Fake News, die Gegenrealität der Querdenkerwelt und Gewaltfantasien der Neuen Rechten – es entstand ein neues Misstrauenssystem. Die Stärke der modernen Demokratie, die offene Debatte, wurde in ihre Schwäche verwandelt. Die drohende Klimakrise steigert die überhitzte Gemütslage zu einer Vertrauenspanik. Der Ton in der Gesellschaft wird gereizt und böse. Wer das mediale Dauerfeuer nur schwer aushalten kann,  gerät in eine Vernunftpanik. Die Sehnsucht nach Einfachheit verübelt, dass die gegenwärtigen Herausforderungen keine glatten Lösungen zulassen.

Bei uns läuft sich die Neue Rechte warm. Gewaltkonzepte werden neu entdeckt. Regimes wie Iran, Türkei, Ungarn, Russland erfahren Wertschätzung. Eine neue hegemoniale Männlichkeit wird beschworen, verbunden mit einer Verächtlichmachung des Feminismus. Rücksichtslosigkeit gilt als männliche Tugend. Eine Herrenrasse will entscheiden, wer zu ihr gehören darf und wer nicht und gewaltsam weggeschickt werden soll.
Aus der langen Tradition der Friedensbewegung wissen wir:  Gewalt ist nicht Überlegenheit, sondern uneingestandene Schwäche, die mit demonstrierter Stärke überdeckt werden soll. Wahrhaft souverän und stark ist, wer den Anderen nicht verächtlich machen und schädigen muss, sondern ihn anerkennen kann, so, wie man selber respektiert werden will.

Der Bezug des Sonntags Lätare auf Ostern enthält einen Hinweis auf das bisher höchste Niveau gewaltfreier Stärke in der Geschichte. Der Vater gewaltlosen Widerstands, Gandhi, verweist auf den Ideengeber seines Konzepts, das Böse mit Gutem zu überwinden, auf Jesus von Nazareth. “Wenn einer dich auf die rechte Wange schlägt, dann schlage nicht zurück, sondern halte ihm auch die linke hin“, so die Zumutung Jesu.

Wer dauerhaft Frieden erreichen will, erkannte Gandhi, darf seinen Gegner nicht hassen, „denn er ist wie du“. Gewinnen statt Vernichten des Gegners wurde seine Devise. Im Sinne Jesu ließ er öffentliche Demütigungen, Schläge, Gefängnisstrafen über sich ergehen, trat in den Hungerstreik, damit durch sein ertragenes Leiden – und das seiner Mitstreiter - der Gegner zur Erkenntnis seines Unrechts kommt – und sich ändert. Mit dieser Haltung hat Indien den moralischen Sieg über die Briten davongetragen und  seine Unabhängigkeit erreicht.

Moralisch einfordern kann man solch eine gereifte Haltung der Stärke und Menschenliebe nicht. Aber hinweisen darauf, dass sie bereits möglich war – damals auf Golgatha, 1948 in Indien – sollten wir schon. Der Bezug auf Ostern, den Sieg der Liebe über Hass und Tod, enthält eine befreiende Botschaft. Eine Entwicklung aus den Niederungen von Verunsicherung, Ängsten, Hass und Gewalt ist möglich. Wer seine Angst bewältigt, erfährt gereiftes Selbstvertrauen. Ideen für neues Miteinander, Vertrauen, clevere Zukunftsgestaltung aus Liebe zu den Menschen und dieser Welt sind möglich. Auch in diesen Zeiten.

Beate Schreier,  Pfrn. i.R., Dannheim